Medienberichte

Wirtschaftswoche Juni 1997

"Technik Innovation Bühnentechnik"

Ob U2, Carmina Burana oder Karl-May-Festspiele - spektakuläre Effekte sollen diesen Sommer für volle Arenen sorgen.

Ein gewaltiger Feuerball, der über die Bühne fliegt, ein Pferd, das scheinbar übers Wasser trabt, Kulissen, gezaubert aus Laserlicht, eine Sängerin, die ein computererzeugtes Bühnenbild mit ihrer Stimme steuert. Dramaturgen und Techniker ziehen alle Register, um das Publikum zu verzaubern, zu amüsieren, zu verblüffen - und es in Scharen in die Theater- und Musikstätten zu locken. "Die Effekte müssen Emotionen wecken, sonst verpuffen sie", sagt Maik Klokow, der für Deutschlands erfolgreichsten Musicalvermarkter Stella in Hamburg unter anderem die Bühnentechnik von Miss Saigon konzipiert hat.

Ganz auf die große Wirkung vertraut zum Beispiel die irische Rockgruppe U2, die vom 27. Juli an mit der aufwendigsten Show der Rockgeschichte durch deutsche Fußballstadien tourt: Die Bühne wird von einem über 30 Meter hohen goldenen Rundbogen überragt, der aus 100 Einzelteilen zusammengesteckt wird. Über den Köpfen der Musiker hängt ein riesiger Spiegelball in Form einer Zitrone, der die Lichter von 1000 Scheinwerfern reflektiert. Auf einem 30 Meter hohen Zahnstocher steckt eine von innen beleuchtete gefüllte Olive - und eine Nonne, die quietschen kann. Im Ohr tragen die vier Musiker winzige drahtlose Lautsprecher, über die sie die Einsätze der Kollegen selbst dann noch auf die tausendstel Sekunde genau mitbekommen, wenn sie auf der riesigen Bühne weit voneinander entfernt herumturnen.

Technisches Prunkstück der Show ist eine computergesteuerte Projektionsleinwand, mit einer Breite von fast 46 und einer Höhe von mehr als 15 Metern die größte der Welt. Sie besteht aus einer Million Leuchtdioden, die zu 150000 Bildpunkten zusammengeschaltet werden. Jeder lässt sich einzeln ansteuern, was die Darstellungsmöglichkeiten enorm erweitert. So werden auf der zehn Millionen Mark teuren Leinwand nicht nur Videoeinspielungen und Computergrafiken sowie die Bilder gezeigt, die sieben Bühnenkameras einfangen, von denen eine im Kostüm von Sänger Bono steckt. Auch raffinierte Lichteffekte und komplette Bühnenbilder lassen sich mit der aktiven Leinwand erzeugen, etwa flirrende Flugzeuge und Schlangen, die vor einem psychedelisch schimmernden Hintergrund geheimnisvoll dahingleiten.

Auf dem Schirm leuchten neben roten, gelben und grünen erstmals auch blaue Dioden. "Die Farben sind überwältigend“ schwört U2-Showdirektor Willie Williams. "Es ist ein Gefühl, als würde man in den Bildern schwimmen." Um die Leinwand transportieren zu können, lässt sie sich in mehrere Teile zerlegen. Die Dioden sind in Streifen aus Aluminium eingelassen, die nach dem Konzert wie eine Lamellenjalousie zusammengefaltet werden.

"Die Band geht absolut an die Grenzen des technisch Machbaren" betont Tourvideodirektorin Monica Caston. Dazu gehört die Möglichkeit, Konzerte live über das Internet in alle Welt zu übertragen.

Kaum weniger monumental geht es bei der Freiluftaufführung der Oper Carmina Burana von Carl Orff zu, die am 21. Juni in Hamburg startet und dann in Leipzig, Kassel, München und Stuttgart gastiert. Regisseur Walter Haupt wollte als Bühnenbild eine Skulptur, in deren Körper sich "magische Bilder vom Leben" abspielen. Der in Sofia geborene und heute in München lebende Bulgare Mihail Tchernaev baute ihm eine 22 Meter hohe Theatermaschine, die sich während der einstündigen Inszenierung abwechselnd in eine Festung, ein Segelschiff und eine Taverne verwandelt. Damit der sekundenschnelle Umbau klappt, ist die rundum offene Konstruktion im Inneren beweglich. Die 30 Darsteller pendeln über ein ausgetüfteltes System von Leitern und aufklappbaren Brücken zwischen den vier Spie1ebenen hin und her; in einigen Szenen fahren hydraulische Züge die auf winzigen Platten stehenden, mit einem Gurt gesicherten Schauspieler hoch und runter.

Bei der Verwandlung des Bühnenbilds helfen riesige Stoffbahnen die das Teatromobile zu Beginn des Stücks verhüllen. Sie dienen ebenso wie der in weiße Gewänder gehüllte Chor als Projektionsfläche für Bilder von riesigen Eisbergen oder einer lodernden Feuerhölle.

Freunde pyrotechnischer Tricks kommen voll auf ihre Kosten. Es vergeht kaum eine Minute, in der nicht Funken und Flammen aus den überdimensionalen Kostümen, Masken und Requisiten sprühen. Die sind über und über mit Butangas und Pulverpatronen präpariert. Da dreht sich dann zum Beispiel ein gewaltiges Feuerrad, auf dem die Glücksgöttin Fortuna sitzt. Wenn sie ihre Arme hebt schießen drei Meter lange Gasfontänen in den dunklen Abendhimmel. Die Schauspieler lösen das Feuerwerk über elektrische Kontakte entweder selbst aus, oder es wird per Funksignal gezündet.

Im fulminanten Finale der Oper verwandelt Tchernaev die Bühne in eine feuerspeiende Lichtmaschinerie. "Eine Komposition voller Poesie und Kraft" verspricht der Künstler, "die den Besuch zu einem unvergesslichen Erlebnis macht."

Im Juli nächsten Jahres wird der Bulgare in Passau einen Augen- und Ohrenschmaus servieren, der selbst seine eigene Carmina-Burana-Technik in den Schatten stellt. Das musikalische Spektakel um die Sagengestalt der Undine spielt auf einem rund 400 Meter langen Abschnitt der Donau an der Mündung von Inn und llz. Mit Hilfe der vier größten Projektoren der Welt wirft Tchernaev gigantische, selbstgemalte Bühnenbilder auf die Wasserfläche und einen langgestreckten, mit Bäumen und Büschen bewachsenen Hügel am Ufer.

Die Illusion ist perfekt. Sterne verwandeln sich plötzlich in kalte Lichter einer Großstadt. Ein reitender Poet taucht auf seinem Pferd In einen weißen Nebelteppich ein. Er scheint über das Wasser zu reiten und brennende Kränze zu passieren, die Rauch und Feuer speien. In Wirklichkeit sitzt er auf einer Attrappe, die auf einem Ponton steht und über den Fluss gezogen wird.

Drei 15 Meter lange beleuchtete Riesenfische aus durchsichtigem Polyester schwimmen daher, begleitet von Donnergetöse. Wassergeister mit grausam glühenden Augen erheben sich aus den Fluten. Hinter wild tanzenden Hexen türmt sich eine Regenwand. Sie öffnet sich wie ein Theatervorhang und gibt den Blick frei auf ein Paradies.

Ein Großteil der Effekte wird über Computer gesteuert. Akteure und Helfer erhalten ihre Einsätze wegen der großen Entfernungen per Funk. Tchernaev hofft, dass sich auch andere Städte für die Millionenshow interessieren. "Wir brauchen nur eine große Wasserfläche, alles andere kriegen wir in den Griff.'1 Wie die meisten Freiluftveranstaltungen leben auch Musicals vom Sinnenreiz. Ob in der Stuttgarter Aufführung von Miss Saigon ein Hubschrauber mit ohrenbetäubendem Getöse auf dem Dach der US-Botschaft landet, der Hauptdarsteller in der Essener Joseph-Inszenierung auf einem ausfahrbaren Lift sechs Meter über den Köpfen der Zuschauer schwebt oder am Broadway in New York eine mächtige Maschinerie die tonnenschwere Bühne kippt, damit die Titanic stilvoll untergehen kann - immer feiert die Technik Triumphe. Das ist bei der Deutschland-Premiere von Disneys '1 Die Schöne und das Biest" am S. Dezember dieses Jahres in Stuttgart nicht anders. Erstmals werden elektrische Antriebe und Stellelemente von Bühne und Obermaschinerie über ein einziges Pult dirigiert, wobei sich einzelne Szenen auf Knopfdruck abrufen lassen. Durch die Integration sinke die Gefahr von Kollisionen, rühmt der Technische Leiter Klokow das neue Konzept. Zudem spare es Personal.

Prunkstück der Kulissen ist ein zehn Tonnen schweres, zwölf Meter breites und sechs Meter hohes Märchenschloss I dessen Westflügel sich um die eigene Achse drehen kann. Es ist mit einer eigenen Lichtanlage ausgestattet, versteckte Lautsprecher sorgen für verblüffende Klangerlebnisse.

Auch sonst haben die Techniker sich einiges einfallen lassen: Sie konstruierten ein wundersames Fahrzeug, das Holz hackt und Nüsse knackt. Eine Nebelmaschine bläst dicken weißen Rauch aus einem Schornstein; Pressluft treibt Windmühlenflügel an. Allein eineinhalb Jahre dauerte die Entwicklung eines Feuerballs, den eine Fee am Anfang des Stücks über die Bühne schleudert. Klokow stolz: “Es ist das erste Mal, dass so ein gefährlicher Trick in der Hand gehalten werden kann."

Wo die einen die Massen mit Feuer und Funkenregen in ihren Bann ziehen, setzen die anderen auf die Faszination von Laserlicht. Wenn Winnetou bei den Karl-May-Festspielen in Bad Segeberg (Start: 21. Juni) über das Verbindende der Weltreligionen räsoniert, erscheinen seine Gedanken symbolhaft als riesige dreidimensionale Lichtgebilde auf einem Felsen. Die komplizierte Anlage aus Lasern, Umlenkspiegeln, Farbmischeinheiten, Hochleistungsglasfasern und faustgroßen Projektoren stammt von der Lobo Electronic GmbH aus dem schwäbischen Aalen. Gesteuert wird das System von einem superschnellen Rechner, mit dem sich komplette künstliche Kulissen in Echtzeit erzeugen lassen. Die Schauspieler können sich frei darin bewegen.

Für die Vordenker am Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (ZMK) erst ein Anfang. Sie sind dabei, dreidimensionale Computerbilder, Videoanimationen, Schauspielkunst und Musik zu einer eigenständigen Kunstform zu kombinieren. Drei Kurzopern, im Rahmen der am 18. Oktober beginnenden Multimediale 5 in der badischen Metropole uraufgeführt, werden einen Eindruck der neuen Möglichkeiten geben: Da schreitet etwa eine lebendige Sängerin durch eine am Computer erzeugte bizarre Welt aus Gängen, abstrakten Räumen und bombastischen Säulenhallen aus dem Reich der Toten in die labyrinthische Welt der Lebenden. Dabei steuert sie das virtuelle Bühnenbild und einige kleine animierte Figuren teilweise selbst. Sie reagieren auf die Lautstärke ihrer Stimme oder die Tonhöhe. "Herkömmliche Raumbegrenzungen heben sich auf. Es entstehen ganz neue interaktive Spielformen zwischen Sängerin, Musik und Handlung", beschreibt Produktionsleiterin Heike Staff die künstlerische Herausforderung.

Bleibt ein Problem: Die Kosten der technischen Aufrüstung steigen allmählich ins Unermessliche, die Finanzierung wird immer schwieriger. Die U2-Tour, schätzen Insider, verschlingt wöchentlich bis zu 3,4 Millionen Mark allein für Aufbau, Miete und Transport der Ausrüstung. Kaum weniger aufwendig ist Carmine Burana. Jede Aufführung kostet rund eine Million Mark.

Seit die Zuschauer allenfalls noch bei Topereignissen bereit sind, den Bombast mit hohen Eintrittspreisen zu finanzieren. verzichten weniger zugkräftige Gruppen wie etwa die Altrocker von Jethro Tull neuerdings immer häufiger auf allen Budenzauber. Statt dessen konzentrieren sie sich auf ihr ursprüngliches Handwerk - Musik machen. Der Stimmung bei den Konzerten schadet es nicht. DIETER DÜRAND

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